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Andreas Kieling im Interview: Schlangenbiss und Wildschweinattacke


Interview mit Andreas Kieling
Schlangenbiss und Wildschweinattacke

t-online, Lars Schmidt

Aktualisiert am 29.03.2012Lesedauer: 8 Min.
Andreas Kieling mit einem jungen Wolf.Vergrößern des BildesAndreas Kieling mit einem jungen Wolf. (Quelle: Archiv Andreas Kieling)
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Seine Tierfilme sind atemberaubend, preisgekrönt und erreichen im Fernsehen regelmäßig Top-Einschaltquoten. Ob in Alaska allein unter Grizzlybären, in Namibia bei den Wüstenelefanten oder in Deutschland entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze - Andreas Kieling trifft mit seinen Bildern und Geschichten den Nerv des Publikums.

Dabei ist sein Job alles andere als ungefährlich. In Indonesien biss ihn eine Giftschlange ins Gesicht, in Brasilien würgte ihn eine Anakonda. Und zu Hause in der Eifel wäre er nach einem Angriff eines Keilers fast verblutet. Anfang 2012 reiste er mit seiner Multivisionstour "Mein Leben mit wilden Tieren" durch Deutschland und erzählte vor ausverkauften Häusern und begeistertem Publikum von seinen abenteuerlichen Reisen. In Frankfurt trafen wir den 52-Jährigen zum Interview.

t-online.de: Normalerweise reisen Sie durch ferne Länder, stehen Auge in Auge mit wilden Tieren. Jetzt touren Sie durch Deutschland und stehen jeden Abend vor einem großen Publikum. Was ist aufregender?

Andreas Kieling: Ich bin definitiv aufgeregter, wenn ich in einer großen Halle vor 700 bis 1000 Leuten stehe, frei sprechen muss und Filmmaterial über meine letzen 25 Jahre als Tierfilmer zeige. Weil ich das nicht gewohnt bin. Ich war ähnlich aufgeregt, als ich meinen ersten Grizzlybären in Alaska sah. Oder als ich zum ersten Mal mit einem Salzwasserkrokodil in Australien getaucht bin. Der Unterschied ist: Tiere haben keine Erwartungshaltung an dich. Da geht es mir immer darum: Wird es mich akzeptieren? Bekomme ich meine Aufnahme? Verhält es sich natürlich? Hoffentlich läuft es nicht weg. Publikum ist dagegen nicht gleich Publikum. Ein Gag, der in München funktioniert, kann in Hannover keinen einzigen Lacher erzeugen. Oder umgekehrt.

t-online.de: Wie kamen Sie auf die Idee zu dieser Multivisions-Show?

Andreas Kieling: Mein Freund Markus Lanz hatte mich auf die Idee gebracht. Ich musste das aber erst eine Weile überdenken, bis ich zu dem Schluss kam: Vielleicht ärgerst du dich in zwanzig Jahren, weil du es nicht ausprobierst hast. Es kann aber auch sein, dass ich nach einem Monat auf Tour zu der Erkenntnis komme, dass das nichts für mich ist, weil ich lieber Tierfilmer bin. Oder mir gefällt es und ich wiederhole die Aktion in zwei Jahren."

t-online.de: Und gibt es schon eine Erkenntnis?

Andreas Kieling: Erst mal bin ich total positiv überrascht, wie gut diese Tour angenommen wird. Wie viele Leute kommen und wie hoch motiviert sie sind. Das merkt man auch am Applaus - etwas was im Fernsehen fehlt. Da bekommst du am nächsten Tag deine Einschaltquote, an der du erkennst, wie es gelaufen ist. Bei so einer Live-Tour bekommst du deine Einschaltquote eine halbe Sekunde später. Da liegt ein großer Reiz drin.

t-online.de: Was wollen Sie damit vermitteln? Geht es nur um tolle Bilder, oder auch um Natur- und Tierschutz?

Andreas Kieling: Natürlich liegt mir die Natur, die Erhaltung von Lebensräumen stark am Herzen. Ich selber wäre aber schon damit zufrieden, wenn sich junge Menschen wieder mehr für die Natur interessieren würden. Und das ist das zweite Verblüffende an dieser Tour. Es kommen erstaunlich viele junge Leute. Damit ist für mich schon viel erreicht. Wenn ich diesen Zuschauern Lust auf Natur mache.

t-online.de: Wer ist Ihr Tierfilmervorbild? Heinz Sielmann, Bernhard Grzimek? Oder ein ganz anderer?

Andreas Kieling: Bernhard Grzimek war vor 50 Jahren schon sehr modern und experimentell. Denken wir an die Szene, wo er in Badeschlappen und diesem aufblasbaren Nashorn in Originalgröße auf das lebendige Nashorn zuging. Wenn ich so etwas heute machen würde, würden die Leute sagen: "Jetzt ist er verrückt geworden. Jetzt will er sich selber umbringen". Grzimek durfte das damals. Deshalb ist er ein großes Vorbild für mich. Sielmann war das nie. Der war mir zu sehr der Labermann. Es gab aber in der DDR noch Heinrich Dathe, den ich auch sehr gut fand.

t-online.de: Anders als andere Tierfilmer, sieht man Sie in ihren Filmen auch vor der Kamera, zum Beispiel beim Filmen oder Sie erklären etwas. Wie kam es dazu, dass Sie diese Darstellungsform wählten?

Andreas Kieling: Ich habe zehn Jahre lang Tierfilme gemacht, wo ich nicht vor der Kamera zu sehen war. Über Grizzlys, Eisbären, Elche... Das war meine schönste Zeit. Aber meine beiden Söhne habe ich in dieser Zeit kaum gesehen, weil ich zum Teil mehrere Monate am Stück zum Drehen in Alaska war. Deshalb habe ich das, was ich erlebte, auf Audiokassetten gesprochen. Und wenn der Versorgungsflieger kam, hat er die Kassetten mitgenommen und nach Deutschland geschickt. Später habe ich dann, zusammen mit meinem indianischen Begleiter, der sehr gut Geräusche imitieren konnte, richtige kleine Hörspiele aufgenommen. Als dann diese kleinen Mini-DV-Kameras aufkamen, haben wir Videobotschaften nach Deutschland geschickt. Irgendwann sah das mein damaliger ZDF-Redakteur und sagte: "Toll. Wie nah Sie an den Tieren dran sind. Das muss man ja mal im Fernsehen zeigen". Da dachte ich nur - wie naiv sind die eigentlich? Wenn ein Bär auf mich zuläuft und ich zieh an der Kamera die Schärfe nach, er fängt direkt vor mir seinen Lachs und das Wasser spritz auf die Linse - was glauben die, wie weit ich von diesem Bären entfernt bin? Das konnten die sich nicht vorstellen, auf ihrem Lerchenberg (Standort des ZDF in Mainz, Anm. d. Red.). Und so kam ich vor die Kamera.

t-online.de: Wie groß ist das Team, mit dem Sie unterwegs sind?

Andreas Kieling: Meisten sind wir zu dritt. Da ist der zweite Kameramann, der mich filmt und dann ist da noch ein Tonmann oder Assistent. In vielen Regionen der Erde haben wir zusätzlich noch einen einheimischen und ortskundigen Führer dabei.

t-online.de: Kann man die TV-Zuschauer heute noch mit beschaulichen Bildern von den Bildschirm locken? Oder müssen es immer spektakuläre Jagd- oder Kampfszenen - also Nervenkitzel - sein?

Andreas Kieling: Glücklicherweise ist das beim ZDF nicht so. Bei "Terra X" zum Beispiel hat man ein sehr breites Publikum von alt bis jung. Da ist man weniger auf Effekthascherei aus. Natürlich darf es auch spektakulär sein. Aber inzwischen ist es im Fernsehen schon so, dass du authentische Tierszenen nicht mehr zeigen darfst. Zum Beispiel, wie ein Krokodil ein Känguru auseinandernimmt. Das finden die Menschen schlimm. Die würden lieber sehen, wie ein Mensch mit einem Krokodil um sein Leben kämpft. Aber bitte nicht das friedliche, schöne, reine, süße, romantische, sympathische Tier. Das zeigt mir, wie weit wir uns von der Realität entfernt haben. Wir wünschen uns eine romantische Natur. Aber so ist es nicht. Deshalb zeige ich natürliches, spannendes, abenteuerliches Verhalten. Aber wir inszenieren keine Show.

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t-online.de: Wie gefährlich ist Ihre Arbeit wirklich?

Andreas Kieling: Große charismatische Tiere zu filmen ist für mich nicht gefährlicher als am Frankfurter Kreuz Auto zu fahren. Ich habe einfach ein großes Gespür und Gefühl dafür entwickelt, wie ich mich gegenüber Tieren zu verhalten habe. Vielleicht ist es auch Begabung. Und dann ist vieles einfach logisch und nicht mehr riskant. Vieles, was im Fernsehen gefährlich aussieht, war es aus meiner Sicht gar nicht. Ich lasse immer das Tier entscheiden, wie weit es sich mir nähern will. Ein Angriff ist da eher unwahrscheinlich. Und dann gibt es Tiere, an deren Verhalten ich erkenne, dass ich da besser nicht zu nah ran gehe.

t-online.de: Was waren denn Ihre gefährlichste Begegnungen? Wo hatten Sie am meisten Angst oder waren gar in Lebensgefahr?

Andreas Kieling: Ich weiß nicht, ob es die gefährlichste Begegnung war. Aber meine schwerste Verletzung hat mir ein Wildschwein in der Eifel zugefügt. Das passierte während der Paarungszeit. Ich war allein, kniete mit der Kamera am Boden. Da kam der Keiler von hinten und hat meine Schwäche ausgenutzt. Er hat mich so vehement angegriffen und verletzt, dass ich beinahe im Wald verblutet bin. Der hat mich richtig aufgeschlitzt. Ich hab es dann noch zu meinem Auto geschafft und bin ins nächste Krankenhaus gefahren. Wobei mir unterwegs schon abwechselnd heiß und kalt wurde.

t-online.de: Ein ähnlich gefährliches Erlebnis hatten Sie mit einer Anakonda...

Andreas Kieling: Auch das war ein Fehlverhalten von mir. Ich hatte in Brasilien mehrere Anakondas gefangen. Das waren aber alles relativ kleine Schlangen - maximal bis drei Meter lang. Und an meinem freien Tag - ich war alleine und wollte eigentlich nur Piranhas angeln - sehe ich diese riesige Schlange. Sie war vielleicht viereinhalb Meter lang und lag im warmen Wasser um sich aufzuwärmen. Da hatte ich die naive Idee, sie zu fangen und in einen Sack zu stecken, den ich dabei hatte. So unter dem Motto: Dann habe ich sie erst mal und kann mit ihr ein paar tolle Filmaufnahmen machen. Also habe ich sie gepackt und es dauerte höchstens eine Sekunde, da hatte sie mich umschlungen. Beißen konnte sie mich nicht, weil ich sie am Hals hielt. Aber sie hat mir die Luft abgedrückt und zog sich immer enger um mich zusammen. So lagen wir dann schätzungsweise zehn Minuten im flachen Wasser und dann erinnerte ich mich wieder an die Tipps eines Schlangenspezialisten. Ruhig verhalten und tot stellen. Wenn du Glück hast, lockern Riesenschlangen dann ihren Griff, weil sie auch merken, du passt gar nicht in ihr Beuteschema. Und so war es dann auch. Sie ließ mich los und zog von dannen. Ich blieb danach noch einige Zeit im Wasser liegen und dachte: Sie ist weg. Ich hab's überlebt.

t-online.de: Was geht einem denn da durch den Kopf?

Andreas Kieling: Nicht viel. Außer, dass man ans Überleben denkt. In Indonesien hat mich mal eine Giftschlange ins Gesicht gebissen. Da habe ich auch nicht gedacht. "So, jetzt stirbst du". Gifte sind ja ganz angenehm, weil sie dich - ähnlich wie Drogen - betäuben. Das ist ja ihr Zweck. Ich hatte also ein ganz gutes Gefühl und nach zweieinhalb Tagen kam ich wieder zu klarem Verstand und alles war gut.

t-online.de: Ein regelrechtes Kontrastprogramm dazu war Ihr Projekt "Mitten im wilden Deutschland", für das Sie entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze wanderten. Was hat Deutschland, was andere Länder nicht haben?

Andreas Kieling: Der große Reiz, den Deutschland für mich ausmacht, liegt darin: Es ist schnell erreichbar, du hast keinen Jetlag, musst keine andere Sprache lernen. Und was vielen Deutschen nicht bewusst ist, wir leben in einem der abwechslungsreichsten Ländern der Erde. Wenn du 1000 Kilometer durch Alaska wanderst, bist du 1000 Kilometer lang in der Wildnis. Wanderst du aber 1000 Kilometer durch Deutschland, hast du einen großen Abwechslungsreichtum. Du erlebst ganz unterschiedliche Landschaftstypen, grandiose Natur, Geschichte auf Schritt und Tritt sowie eine artenreiche Tier- und Pflanzenwelt. Und du triffst ständig interessante Menschen. Wandern öffnet die Herzen.

t-online.de: Was ist Ihr nächstes Projekt?

Andreas Kieling: Da geht es wieder zu den Letzten ihrer Art. Es sind Expeditionen zu den letzten afrikanischen Wölfen im Hochland von Äthiopien, zu Walhaien vor Neuseeland und Tigern in Ostindien geplant.

t-online.de: Was ist ihr größter Traum? Welche Expedition möchten Sie unbedingt noch machen?

Andreas Kieling: Das wird aber auch ein Traum bleiben. Als eiszeitlicher Tierfilmer mit Mammuts zusammenzuleben. Mein realer Wunsch ist, dass ich noch lange und oft an Orte zurückkehren kann, an denen ich schon mehrmals war. Wie zu den Wüstenelefanten in Namibia, zu den Berggorillas in Ruanda oder zu den Komodowaranen in Indonesien.

t-online.de: Vielen Dank für das Interview.

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